Warum Inklusion Chefsache ist

Inklusion in der Arbeitswelt muss Chefsache sein – Talente erkennen und fördern

#Talente erkennen und Barrieren überwinden

Warum Inklusion in der Arbeitswelt Chefsache werden muss und Menschen mit Schwerbinderung wertvolle Mitarbeitende für Unternehmen sind.

Wir erinnern uns noch gut an die Paralymics im vergangenen Jahr. Glücklich strahlende Menschen halten ihre Medaille in die Kamera, ausgepowert können sie ihren Erfolg noch gar nicht in Worte fassen. Fast zwei Wochen präsentierte die Tagesschau allabendlich die Sieger von Tokio. Es sind Parakanuten, die um die Wette paddelten, sehbehinderte Schwimmer, die ihr Bestes geben; ob Weitsprung, Tischtennis oder Basketball – in den unterschiedlichsten Disziplinen zeigen Sportler mit „Handicap“ zu welchen Leistungen sie fähig sind. Die Sportberichterstattung der Paralympics scheint selbstverständlicher geworden zu sein – sie sind aus dem Windschatten der olympischen Spiele getreten.

Wie im Sport so in der Arbeitswelt?
Nicht nur im Sport sondern allgemein in unserer Gesellschaft sichtbar zu werden und mitmischen zu können ist in ein großes Thema für Menschen mit Behinderungen. Doch in der Arbeitswelt ist das noch keine Selbstverständlichkeit. In Deutschland arbeiten etwa 300.000 Menschen mit Behinderungen in Werkstätten, und es gibt rund 13.500 Inklusionsbetriebe – nicht viel für 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen. Und wie sieht es auf dem ersten Arbeitsmarkt aus? Die gesetzlich vorgeschriebene Behindertenquote liegt bei fünf Prozent für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeiter:innen. 40.000 Firmen haben jedoch überhaupt keinen Menschen mit Behinderung eingestellt und zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 115 bis 290 Euro pro Arbeitsplatz, der nicht mit einem Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50% besetzt ist!

Mit der Quote oder UN-Konvention in den Arbeitsmarkt?
Die UN-Behindertenrechtskonvention und das Bundesteilhabegesetz sind ambitionierte Versuche mehr Menschen mit Behinderung den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und Vorbehalten mit juristischen Mitteln entgegenzuwirken. Doch bislang bleibt der Weg in den allgemeinen ersten Arbeitsmarkt für Betroffene meist versperrt. Hartnäckig halten sich Vorurteile – sie seien öfter krank, weniger motiviert und man werde sie nicht so leicht wieder los…

Eine Studie entkräftet Vorbehalte
Audi wollte es wissen und hat das Thema Inklusion von 2012 bis 2015 in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen (Schweiz) unter die Lupe genommen. Mit erstaunlichen Ergebnissen. In der Studie wurden dabei nicht nur technische und organisatorische, sondern auch wirtschaftliche Aspekte betrachtet. So stellte sich heraus, dass Teams mit einem hohen Anteil schwerbehinderter Menschen kreativer sind, also mehr Ideen hervorbringen und auch wirtschaftlich erfolgreicher sind Arbeitsplätze, die auf besondere Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zugeschnitten sind, auch die Produktivität der nicht-behinderten Beschäftigten fördern wertschätzende Führung und gute Kommunikation für die Inklusion wichtiger sind als ergonomisch ausgestattete Arbeitsplätze.
Die Audi AG beschäftigt rund 3.500 Mitarbeiter:innen mit Behinderung in Ingolstadt und Neckarsulm (Stand August 2019 MediaInfo). Das entspricht einer Quote von 6,6%.

Inklusion muss „Chefsache“ sein
Der Bundesverbandes Deutscher Berufsförderungswerke will deshalb Unternehmenslenker und Institutionen in den Dialog bringen und hat die Initiative „Chefsache Inklusion“ gestartet. Netzwerktreffen mit Vertretern von Wirtschaft, Politik und Verbänden wollen Möglichkeiten der Inklusion auszuloten. Verena Bentele, ehemalige Paralympionikin und Präsidentin des Sozialverbandes VdK, sagte beim Abschluss eines solchen Netzwerk-Treffens 2019: „Chefsache Inklusion bringt Entscheider aus Unternehmen zusammen, die wissen, dass gute Mitarbeiter ein wichtiger Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen sind – daher sollten unbedingt die Talente aller genutzt werden, unabhängig davon, ob sie eine gesundheitliche Einschränkung haben oder nicht.“ Weitere Veranstaltungen scheinen jedoch nicht in Sicht zu sein. Ob dieses Thema corona-bedingt auf der Agenda nach hinten geschoben wurde? Eine Anfrage von AKR Consult blieb bisher leider unbeantwortet.

Rückschläge durch die Pandemie
Es gibt immer auch Krisengewinnler, Menschen mit Behinderungen gehören sicher nicht dazu. Laut Inklusionsbarometer des Research Instituts vom Handelsblatt waren 13 Prozent mehr Menschen mit Behinderung arbeitslos als im Jahr zuvor (Stand Oktober 2020). Das ist ein deutlicher Abwärtstrend, der mit Sorge betrachtet wird, zumal Behinderte länger auf Arbeitssuche sind. „Im Durchschnitt suchten arbeitslose Menschen mit Behinderung 100 Tage länger nach einer neuen Stelle als Menschen ohne Behinderung“, so Christa Marx, Sprecherin bei Aktion Mensch.

Das Denken muss sich verändern
Rechtliche Rahmenbedingungen und von Behindertenverbänden adressierte berechtigte Forderungen haben an der Situation behinderter Menschen bisher nicht allzu viel verändert und bleiben vor allem in Krisenzeiten wirkungslos. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine Veränderung möglich ist. Sie muss in den Köpfen beginnen. Unternehmen – und dazu können auch kleine mit weniger als 20 Mitarbeitenden beitragen – können etwas ändern! Es wird viel von Diversifizierung geredet, doch nur wer die Erfahrung gemacht hat, dass Vielfalt eine Bereicherung ist, geht auch die Inklusion mutiger an.

Vielfalt kann bereichern
Menschen sind verschieden. Behinderte Menschen auch. Vier Erfolgsfaktoren sind ganz entscheidend für gelingende Inklusion – und diese gelten für beide Seiten:

  1. Schranken im Denken abbauen – die eigene Haltung verändern
  2. Auf die Stärken, Fähigkeiten und Potenziale schauen
  3. Sich über Fördermöglichkeiten informieren und sie in Anspruch nehmen
  4. Berührungsängste und Unwissen durch Trainings überwinden

Vielleicht können wir von den Paralympics lernen. Höchstleistungen sind möglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Vielleicht gibt es auch in der Arbeitswelt strahlende Gesichter, wenn gemeinsam Erfolge errungen werden – egal ob mit oder ohne Behinderung.

Es ist Zeit, #Barrieren abzubauen, auf allen Seiten!

Weitere Informationen und Fördermöglichkeiten für Menschen mit Schwerbehinderung und Arbeitgeber:innen finden Sie auf den Webseiten der Integrationsämter.