Früher, in der guten alten Zeit, als man Fotos noch zum Entwickeln brachte, in einem Ladengeschäft einkaufen ging und den nächsten Urlaub im Reisebüro buchte, schrieb man Businesspläne, wenn man ein neues Unternehmen gründen wollte, erst wurde geplant, dann umgesetzt. Heute, im digitalen Zeitalter, vermeintlich zunehmender Komplexität und sich ständig wandelnder Unternehmensumwelten sind Geschwindigkeit, Flexibilität sowie die Umsetzung das A & O bei der Unternehmensgründung oder -veränderung. Eines der dazu passenden Instrumente zur Geschäftsmodellentwicklung ist die hier kurz vorgestellte Business Model Canvas Methode.
Status quo
Geschäftsmodelle kommen und gehen, Unternehmen kommen und gehen, Märkte, Technologien und Bedürfnisse von Konsumenten verändern sich mit der Geschwindigkeit eines vorbei rauschenden ICEs. Der Konkurrenzdruck ist immens, Copycats und Co. lauern an jeder Ecke, in jedem Coworking-Space.
Kommt man dennoch auf die Idee, ein Unternehmen gründen zu wollen, sind neue Denkansätze, Blickwinkel und Tools notwendig, um nicht gleich nach dem Startschuss in der Versenkung zu verschwinden. Kreative Denkansätze und Werkzeuge, mit denen Ideen auf Schwächen getestet und schnell in den Markt gebracht werden können. Time is money. Endloses Planen und Perfektionismus erscheinen in einer Zeit der Alpha- und Betatests wie aus einer anderen Epoche. „Fail cheap & early“ lautet das Mantra der Generation Startup. Die Startup-Avantgarde bemächtigt sich dabei Instrumenten mit so kryptischen Bezeichnungen wie Lean- und Agile und Scrum. Geschwindigkeit als das Maß der Dinge.
Geschwindigkeit als Wettbewerbsvorteil
Wenn Geschwindigkeit Trumpf ist und Planung an Bedeutung verliert, weil Prototypen am Kunden reifen, braucht es dann nicht ebenso Werkzeuge, die diese Entwicklung unterstützen? Ein klassischer Businessplan scheint dafür jedenfalls genauso geeignet zu sein, wie Holzkohle als Treibstoff für einen Ferrari.
Doch wenn der Businessplan als klassisches Planungsinstrument ausgedient hat, braucht es Tools und Methoden, die in die „neue“ Zeit passen. Der Strauß an Werkzeugen und Techniken ist bunt und vielfältig. Die Wahl schwierig. Um das Suchen zu erleichtern, soll hier die Methode Business Model Canvas vorgestellt werden. Unter dem Hastag #bmgen finden sich aktuelle Beispiele und Use Cases der Methode bei Twitter und Co.
Business Model Canvas
Entwickelt u.a. von Alexander Osterwalder auf Grundlage anderer Business Model Frameworks hat sich die Methode Business Model Canvas (BMC) in zahlreichen Anwendungsfeldern bewährt. So nutzen Startups, Consultants, Trainer und andere die Methode für die Neuentwicklung, aber auch zur Überprüfung bestehender Geschäftskonzepte. Idealerweise z.B. in Verbindung mit der SWOT-Analyse. So lassen sich Stärken und Schwächen bestehender Geschäftskonzepte analysieren und mit verschiedenen Kreativmethoden (z.B. aus dem Design Thinking) Ansätze und Ideen zur Optimierung entwickeln.
Auch wenn das Model nicht perfekt ist, implementiert Osterwalder doch zahlreiche Instrumente zur Entwicklung eines Geschäftsmodells, die Up-to-date sind. Dazu gehören Ansätze aus dem Design-Thinking, des Co-Creation und, der konsequente Fokus auf Kunden und die gemeinsame Diskussion (Collaboration) sowie konsequente Visualisierung und Entwicklung in mehreren Iterationen. Mehrere Schleifen oder Iterationen ermöglichen es dabei, die mit dem BMC getroffenen Annahmen z.B. mit Prototyping-Methoden zu überprüfen und die so gesammelten Erkenntnisse in der Folge auf das Geschäftsmodell anzuwenden. Mit dem Ziel einen möglichst optimalen Product/Service-Market-Fit herzustellen.
Kern des BMC sind dabei neun Felder, in die sich jedes Unternehmen oder Konzept nach Ansicht von Osterwalder zerlegen lassen kann. Diese neun Felder werden durch die Kernelemente Wertangebot bzw. Nutzenversprechen und Kunden (-segmente) bestimmt.
Im Unterschied zum klassischen Businessplan-Ansatz, wo von einer Geschäftsidee ausgehend Zielgruppen und Kundennutzen entwickelt werden, steht beim BMC der Kunde von Beginn an im Mittelpunkt der Überlegungen zur Entwicklung oder zur Optimierung eines Geschäftsmodells. Dem Kunden mit seinen Bedürfnissen wird das Wertversprechen des Unternehmens gegenübergestellt. Dieser Kern bildet bei der weiteren Entwicklung des Geschäftsmodells schließlich auch die Grundlage für Umsätze (Revenuestream). Wertangebot und Kunden als zentraler Bestandteil des BMC sind über die Felder Vertriebskanäle und Kundenbeziehung miteinander verwoben.
Konsequente Visualisierung | die Arbeit mit dem BMC
Grundlage für die Arbeit mit dem Business Model Canvas ist ein iterativer Prozess. Die Entwicklung bzw. Optimierung eines Geschäftskonzepts erfolgt in mehreren Durchgängen. Annahmen aufstellen, Annahmen überprüfen, Feedback in das Geschäftsmodell einarbeiten. So, dass das Konzept sukzessive verfeinert und möglichst passgenau an Kundenbedürfnisse und Zielgruppen angepasst wird.
Alle Annahmen werden konsequent am Canvas mit Post-its farbig visualisiert. Im ersten Durchlauf steht Quantität vor Qualität. Über Feedbackschleifen können erste Annahmen überprüft und bei Bedarf auch Lösungen in einem Kreativprozess (Brainstorming) entwickelt werden. Über verschiedene Feedbackschleifen, vor allem von potenziellen Kunden aber auch Experten, entwickelt sich so das Geschäftsmodell Schritt-für-Schritt weiter.
Take away
Mit dem Business Model Canvas steht somit ein Tool zur Verfügung, welches in strukturierter, dennoch ausreichend offener und flexibler Form die Annäherung an das eigene Geschäftsmodell erlaubt. Mit intensiver Visualisierung und in kleinen Teams können so schnell Stärken und Schwächen von bestehenden Geschäftsmodellen analysiert und umsetzbare Lösungen, aber auch neue Geschäftsideen entwickelt werden. Die so erarbeiteten Erkenntnisse erlauben eine möglichst intensive Annäherung an die Zielgruppe (n) und Kundenbedürfnisse, um damit ein Produkt/Dienstleistung anbieten zu können, welches am Markt bestand hat. Dabei sind es oft bereits die kleinen Stellschrauben und Veränderungen im Geschäftsmodell, die dazu beitragen, den entscheidenden Schritt am Markt voraus zu sein. Zahlreiche Addons und Erweiterungen des BMC, wie beispielsweise der Value Proposition Canvas lassen vielfältige Nutzungsszenarien der Methode jetzt und in Zukunft erwarten.
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